Das Grabungsprojekt
Naga ist die südlichste Stadt des Königreichs von Meroë, des Nachbarn und mächtigen Rivalen des ptolemäischen und römischen Ägypten. Nordöstlich von Khartum, der Hauptstadt der Republik Sudan, weitab vom Nil in der Steppe gelegen, ist Naga seit seiner Blütezeit von 200 v. Chr. bis 250 n. Chr. unberührt geblieben; damit bietet das einen Quadratkilometer große Ruinenareal optimale Bedingungen für archäologische Feldforschung. Die Grabungen in Naga wurden, von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziert, 1995-2012 vom Ägyptischen Museum Berlin geleitet und sind seit 2013 ein Projekt des Ägyptischen Museums München.
Als Subresidenz, als „Pfalz“ der meroitischen Königinnen und Könige war Naga eine prachtvolle Stadt; drei Tempel haben die Jahrtausende überlebt; Fünzig weitere Tempel, Paläste und Verwaltungsgebäude, in großen Ruinenhügeln verborgen, warten ebenso auf ihre Ausgrabung wie die ausgedehnten Nekropolen mit Hunderten von Gräbern.
Afrikanische, ägyptische und hellenistische Komponenten des sehr reichen Fundmaterials an Architektur, Skulpturen und Reliefs machen Naga zu einem Zeugnis einer Kulturbrücke zwischen Afrika und der Welt des Mittelmeers.
Mit einem nachhaltigen Restaurierungsprogramm und mit dem Einsatz innovativer 3D-Technologie zur Dokumentation von Architektur und Relief ist das Naga-Projekt ein Modellfall aktueller Archäologie.
Für die große Zahl von Reliefs, Statuen und Kleinfunden soll in Naga ein Museum errichtet werden, für das der britische Architekt Sir David Chipperfield kostenfrei die Pläne erarbeitet hat. Als Ort historischer und kultureller Identität des Sudan soll der vom Qatar Sudan Archaeological Project finanzierte Bau baldmöglichst begonnen werden.
Forschungs- und Projektgeschichte
1820-1995
Die Franzosen L. M. A. Linant de Bellefonds und F. Cailliaud sind 1822 die ersten Europäer, die Naga besuchen. 1844 dokumentiert die preußische Expedition unter Leitung von R. Lepsius alle sichtbaren Monumente der antiken Stadt. Trotzdem bleibt Naga 150 weitere Jahre unberührt.
1995-2009
Erst 1995 erhält Prof. Dr. Dietrich Wildung, zu diesem Zeitpunkt Direktor des Ägyptischen Museums Berlin, in Anerkennung seiner in Zusammenarbeit mit München gezeigten Ausstellungen über den antiken Sudan von der National Corporation for Antiquities and Museums eine Grabungslizenz für Naga. Mit dem Sudan-erfahrenen Archäologen Lech Krzyzaniak aus Posen und dessen Frau Karla Kröper beginnt er ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft finanziertes Langzeitprojekt. Bis 2009 werden der Amun-Tempel, der Tempel 200 und die Hathorkapelle freigelegt, dokumentiert und restauriert. Naga erweist sich, obwohl diese Arbeiten nicht einmal 5 Prozent der unberührt unter Flugsand und Schutt liegenden Ruinen der Stadt ans Licht gebracht haben, als eine wahre Fundgrube von Architektur, Relief und Skulptur und gilt heute als eine der interessantesten archäologischen Stätten des Sudan.
2013 – heute
Das Ägyptische Museum München hat 2013 die wissenschaftliche und organisatorische Leitung des Naga-Projekts übernommen. Seit Herbst 2014 werden die Grabungen fortgesetzt.
Das Team
Organisatorisch untersteht das Naga-Projekt dem Direktor des Ägyptischen Museums München Dr. Arnulf Schlüter.
Die wissenschaftliche Leitung des Naga-Projekts lag von 1995 bis 2021 in den Händen von Prof. Dr. Dietrich Wildung, der zuvor als Direktor des Ägyptischen Museums München (1975-1988) die Münchner Ostdelta-Grabung in Minshat Abu Omar (1977-1988) leitete und als Direktor des Ägyptischen Museums Berlin (1989-2009) seit 1992 das Naga-Projekt entwickelte. Seit 2021 liegt die Leitung bei Dr. Arnulf Schlüter, der seit 2013 Mitglied des Naga-Teams ist.
Christian Perzlmeier hat die Aufgabe des „Field Director“ im Jahr 2020 von Dr. Karla Kröper (1995-2020) übernommen und ist somit als Grabungsleiter für die Arbeiten vor Ort verantwortlich.
Alle Arbeiten werden von den sudanesischen Kolleginnen und Kollegen der National Corporation for Antiquities and Museums (NCAM) begleitet und unterstützt.
Außerdem gehören Forscher aus Deutschland, Sudan, England, Frankreich, Kanada und Polen zum wissenschaftlichen Team.
Das Restauratorenteam von Restaurierung am Oberbaum GmbH setzt Maßstäbe in der Sudanarchäologie. In Naga ist das Team um Jan Hamann bereits seit Jahren im Einsatz.
Das Grabungsprojekt gehört zu den Vorreitern im Bereich der dreidimensionale archäologische Bestandsdokumentation mittels 3D-Scantechnologie. Thomas Bauer und seine Mitarbeiter von TrigonArt haben hierbei nicht nur die jeweiligen Grabungsareale eingemessen, sondern auch ein vollständiges Geländemodell des Areals erstellt.
Die bis zu 70 Grabungsarbeiter sind Halbnomaden, die in einem Umkreis von mehreren Kilometern nahe Naga leben. Sie quittieren ihren alle zehn Tage ausbezahlten Lohn mit Fingerabdruck.
Moderne Archäologie
Ein Team von Restauratoren und Technikern hat in Naga ein Forschungszentrum aufgebaut, das in seiner fachlichen Kompetenz und seiner Geräteausstattung Maßstäbe in der Archäologie und Denkmalpflege des Sudan setzt. Die systematische Anwendung der 3D-Scan-Technologie für die Dokumentation von Architektur, Relief und Fundobjekten sowie die Dokumentation des Grabunsareals mittels Fotodrohne erlauben eine optimale Publikation der Grabungsergebnisse.
Die zurückhaltende, auf Rekonstruktion verzichtende Restaurierung der ausgegrabenen Tempel, unterstützt vom Auswärtigen Amt, trägt dem Status von Naga als von der UNESCO anerkanntem Weltkulturerbe Rechnung und erhält dem Ort seine Atmosphäre als „archäologisches Biotop“.
3D Dokumentation Naga
Das Projekt Naga kann, mit seiner durch die systematische und objektive 3D-Erfassung von Funden, Reliefs, Tempeln, Säulen und Kapitellen, aufgebauten Datensammlung als Vorreiter im Bereich der dreidimensionalen archäologischen Bestandsdokumentation gelten. Bereits im Jahr 2005 wurden während verschiedener Tests die Vorteile der 3D-Scantechnologien und ihre vielseitigen Auswertungsmöglichkeiten nachgewiesen. Seit diesem Zeitpunkt ist der 3D-Scan als Dokumentationswerkzeug nicht mehr wegzudenken.
Es werden aber nicht nur einzelne Funde mit dem Streiflichtscanner aufgenommen: Die Freilegung und 3D-Erfassung von 1.200 Reliefblöcken am Tempel 200 dauerte mehrere Grabungskampagnen. Ziel war nicht nur die detaillierte Dokumentation der Einzelblöcke, sondern auch die Rekonstruktion der Reliefflächen der eingestürzten Tempelwände. Nach Fertigstellung der Arbeiten konnten die Wände virtuell wieder aufgebaut werden.
Auch im großen Amun-Tempel kam der Streiflichtscanner zum Einsatz. Hierbei konnten nicht nur im Versturz aufgefundene Blöcke repositiniert, sondern auch das Bildprogramm der Säulen aus dem Hypostyl dokumentiert werden: Die Daten wurden dabei geometrisch korrekt in eine Ebene umgewandelt, wodurch die Säulenoberflächen wie ein flaches Relief weiterverarbeitet werden kann. Die abgewickelte Oberfläche wurde dann mittels softwaregestützter virtueller Lichtquellen schattenoptimiert ausgeleuchtet und als maßstabsgetreues Bildmaterial ausgegeben.
Restaurierungs-Konzept
Alles was wir tun hinterlässt Zeichen, alles was wir tun führt zu Veränderungen.
In Naga finden wir ein einmaliges Ensemble vor. Eine Denkmallandschaft, die es zu bewahren gilt und die seit 2014 auch als UNESCO-Kulturerbe eingetragen ist. Jedes antike Gebäude, jede Ruine in Naga ist ein kulturhistorisches Denkmal und bedarf eines individuellen Konservierungskonzepts.
Seit den Beschreibungen durch die frühen Reisenden und den archäologischen Expeditionen von Richard Lepsius (1844) und Breasted (1905-07) hat sich in Naga bis zu den ersten Ausgrabungen in den 1990er Jahren wenig verändert. Aber Naga ist kein unbewohnter Ort. Die Menschen, die in der Nähe der antiken Stadt leben, nutzen täglich den Brunnen im Zentrum von Naga, um Wasser für sich und ihre Tiere zu holen. Sie bilden einen integralen Bestandteil von Naga und sind fundamental für die archäologischen und restauratorischen Arbeiten, die ohne ihre Hilfe kaum möglich wären.
Die archäologischen Ausgrabungen verändern den Zustand des Ortes. Auch die Konservierung und Restaurierung verändert den Ort und den Bestand an Gebäuden und Objekten. Jegliches Tun hinterlässt seine Spuren. Deshalb ist es entscheidend wichtig, im Vorfeld zu definieren, wie weit eine solche Veränderung gehen darf und sollte. Der Schutz der Objekte muss immer im Vordergrund stehen, die Veränderungen so gering wie möglich gehalten werden. Charakter und Authentizität der Denkmallandschaft müssen unbedingt bewahrt werden.
Durch die archäologischen Ausgrabungen kommen Gebäude und Artefakte zum Vorschein, Architektur wird mehr und mehr erkennbar. Wo vorher nur einige malerisch im Sand liegende Ruinenteile zu sehen waren, erschließen sich nun Strukturen von Wänden, umgefallene Säulen und Steinhaufen zusammengefallener ehemaliger Tempel. Andere Gebäude wie der Löwentempel und die Hathorkapelle waren nicht im Sand verborgen, sondern überdauerten die 2000 Jahre sehr gut. Lediglich die unteren Bereiche waren mit Sand bzw. Sediment bedeckt.
Durch die Konservierung und Restaurierung soll der Status quo des Ensembles sowie der einzelnen Bestandteile so weit wie möglich erhalten bleiben. Änderungen oder Ergänzungen des Bestandes erfolgen nur wenn unbedingt notwendig für den zukünftigen Erhalt der Objekte, z.B. zur Stabilisierung der Statik der Bauten. Besonders gut lässt sich dieses Konzept an der Restaurierung der Hathorkapelle erkennen. Hier wurden zum Erhalt der Kapelle mittels 3D-Scan generierter Daten einige der besonders stark geschädigten Kapitelle durch exakte Kopien ersetzt. Die Kopien zeigen den Ist-Zustand der Kapitelle bevor die schadhaften Originale abgebaut wurden; so konnte die Statik des Baus wiederhergestellt werden, ohne das neue Kapitelle rekonstruiert und moderne Additive eingefügt werden mussten.
Die oberen Bereiche des Gebäudes wurden abgebaut, geschädigte Teile behutsam ergänzt, das Gefüge mehrfach mittels Festigungsmittel und dafür konfektionierte Materialien stabilisiert und die Kapelle wiederaufgebaut. Parallel wurden alle Maßnahmen über die Jahre ausführlich dokumentiert und Zustand sowie Bauteile detailliert erfasst.
Nicht immer lässt sich ein Konzept in aller Konsequenz verfolgen. Ein flexibler Umgang mit dem Denkmal und den sich verändernden Gegebenheiten durch den Grabungsfortschritt ist unbedingt notwendig.
Konzeptionell sieht der Umgang mit dem historischen Bestand in Naga vor, Rekonstruktionen und Veränderungen am Gesamtbild, wie Schutzdächer, Hinweistafeln und Leitsysteme für Touristen etc. zu vermeiden und ungewünschte Veränderungen des Gesamtensembles minimal zu halten. Die Konservierungsarbeit umfasst das kleine Detail wie das große Ganze.
Die Konservierung und Restaurierung in Naga hat über nunmehr 25 Jahre gezeigt, wie ausschlaggebend eine sehr gute Zusammenarbeit der unterschiedlichen beteiligten Disziplinen aus Archäologie, Bauforschung, Vermessungstechnik, Restaurierung und Materialkunde ist. Die Kontinuität der Arbeiten und die beständige Weiterentwicklung der Methodik hat in diesem Bereich Maßstäbe gesetzt, nach denen sich inzwischen auch andere archäologische Grabungen im Sudan orientieren.
Projektfinanzierung
Das Naga-Projekt ist ein ausschließlich über Drittmittel finanziertes Projekt.
aktuell :
- Auswärtiges Amt, Programm Kulturerhalt (Förderung von Restaurierungsarbeiten)
- Freundeskreis des Ägyptischen Museums München e.V.
- David Chipperfield Architects
frühere :
- Qatar Sudan Archaeological Project (2014 – 2019)
- DFG – Deutsche Forschungsgemeinschaft (Projektförderung 1995 – 2009)
- Verein zur Förderung des Ägyptischen Museums Berlin e.V.
- Westdeutsche Gipswerke Gebrüder Knauf, Iphofen
Sponsoring
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Spenden zugunsten des Naga-Projektes:
entweder direkt an das Ägyptische Museum unter der folgenden Bankverbindung
Staatsoberkasse Bayern in Landshut
Bayerische Landesbank München
BIC: BYLADEMM
IBADN: DE75 7005 0000 0001 1903 15
Bitte im Verwendungszweck angeben:
„2525.2400.0040, Spende Naga-Projekt SMÄK“
oder über den Förderverein des Museums unter folgender Bankverbindung
Freundeskreis des Ägyptischen Museums e.V.
Deutsche Kreditbank
BIC: BYLADEM1001
IBAN: DE 79 1203 0000 1004 3765 78
Bitte im Verwendungszweck angeben:
„Spende Naga-Projekt SMÄK“